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25.10.12

Verlinkung einer Widerrufsbelehrung in einer E-Mail



Von mir erscheinen regelmässig Urteilszusammenfassungen zum Verbraucherschutz im Internet in der Zeitschrift VuR. In Heft 10 geht es um ein Urteil des EuGH zur Verlinkung einer Widerrufsbelehrung in einer E-Mail:

Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz ist dahin auszulegen, dass eine Geschäftspraxis, nach der die in dieser Bestimmung vorgesehenen Informationen nur über einen Hyperlink auf einer Website des betreffenden Unternehmens zugänglich gemacht werden, nicht den Anforderungen der genannten Bestimmung entspricht, da diese Informationen weder im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 von dem Unternehmen "erteilt" noch im Sinne derselben Bestimmung vom Verbraucher "erhalten" werden, und dass eine Website wie die im Ausgangsverfahren fragliche nicht als "dauerhafter Datenträger" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 anzusehen ist.

(Antwort des EuGH)

EuGH, Urteil vom 05.07. 2012, Rs. C-49/11



Sachverhalt (zusammengefasst)

Das Unternehmen Content Services bietet verschiedene Online-Dienstleistungen an. Um diese nutzen zu können, müssen Internetnutzer eine Anmeldemaske ausfüllen. Die in den Art. 4 und 5 der Richtlinie 97/7 vorgesehenen Informationen, insbesondere diejenigen über das Widerrufsrecht, werden den Internetnutzern dabei jedoch nicht unmittelbar angezeigt. Sie können aber durch Anklicken eines Links eingesehen werden. Nach Übermittlung seiner Vertragserklärung erhält der betreffende Internetnutzer eine E-Mail, die erneut selber keine Informationen über das Widerrufsrecht enthält. Diese sind aber über einen Link in der E-Mail aufrufbar.

Das Ausgangsverfahren wurde von der österreichischen Bundesarbeitskammer eingeleitet, die im Verhalten von Content Services Verstöße gegen mehrere Bestimmungen des Unionsrechts und des nationalen Rechts auf dem Gebiet des Verbraucherschutzes sieht. Das Oberlandesgericht Wien hat in der Berufungsinstanz das Verfahren ausgesetzt. Mit seiner Frage an den EuGH möchte das Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 dahin auszulegen ist, dass eine Geschäftspraxis, nach der dem Verbraucher die in dieser Bestimmung vorgesehenen Informationen nur über einen Hyperlink auf einer Website des betreffenden Unternehmens zugänglich gemacht werden, den Anforderungen der genannten Bestimmung entspricht.

Gründe (zusammengefasst):

Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 muss der Verbraucher eine Bestätigung der relevanten Informationen rechtzeitig schriftlich oder auf einem anderen für ihn verfügbaren dauerhaften Datenträger erhalten, soweit ihm diese Informationen nicht bereits vor Vertragsabschluss schriftlich oder auf einem derartigen anderen Datenträger erteilt wurden. Aus dieser Bestimmung ergibt sich, dass ein Unternehmer, wenn er dem Verbraucher bestimmte Informationen vor Vertragsabschluss anders als schriftlich oder auf einem für den Verbraucher verfügbaren dauerhaften Datenträger zur Verfügung stellt, verpflichtet ist, die relevanten Informationen schriftlich oder auf einem derartigen anderen Datenträger zu bestätigen.

Der EuGH hatte daher zunächst darüber zu entscheiden, ob dem Verbraucher bei der Geschäftspraxis von Content Services die relevanten Informationen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 "erteilt" werden oder er sie im Sinne dieser Bestimmung "erhält". Weder die Richtlinie noch die Gesetzgebungsmaterialien geben jedoch Aufschluss über die genaue Bedeutung der Begriffe. Deshalb ist auf ihren Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch abzustellen, wobei zu berücksichtigen ist, in welchem Zusammenhang sie verwendet werden und welche Ziele mit der Regelung verfolgt werden, zu der sie gehören.

Zum Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch ist festzustellen, dass die verwendeten Begriffe "erhalten" und "erteilt" auf ein Übermittlungsverfahren verweisen - der erste aus Sicht des Verbrauchers und der zweite aus Sicht des Lieferers. Im Rahmen eines Verfahrens zur Übermittlung von Informationen muss deren Empfänger keine besondere Handlung vornehmen. In dem Begriff "erhalten" kommt der Gedanke zum Ausdruck, dass es bezüglich der Bestätigung der Informationen gegenüber den Verbrauchern ausreicht, wenn diese sich passiv verhalten. Bei Übersendung eines Links an den Verbraucher muss dieser dagegen tätig werden, um die fraglichen Informationen zur Kenntnis zu nehmen, und er muss auf jeden Fall den Link anklicken. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass auf der Website des Verkäufers befindliche Informationen, die nur durch einen dem Verbraucher übermittelten Link zugänglich gemacht werden, dem Verbraucher weder im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 "erteilt" werden, noch er sie im Sinne dieser Bestimmung "erhalten" hat.

Als nächstes musste der EuGH prüfen, ob eine Website einen dauerhaften Datenträger darstellt. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 ist alternativ gefasst, d. h., dass der Verbraucher die relevanten Informationen "schriftlich" oder "auf einem anderen … dauerhaften Datenträger" erhalten muss. Der Unionsgesetzgeber hat demnach zwei funktional gleichwertige Lösungen und damit das Erfordernis einer Gleichwertigkeit solcher Datenträger vorgesehen. Ein Papierformersatz kann demnach als geeignet gelten, den Anforderungen an den Verbraucherschutz im Kontext der neuen Technologien zu entsprechen, wenn er dieselben Funktionen erfüllt wie die Papierform. Soweit ein Datenträger dem Verbraucher die Speicherung dieser an ihn persönlich gerichteten Informationen erlaubt sowie die Gewähr dafür bietet, dass ihr Inhalt und ihre Zugänglichkeit während einer angemessenen Dauer nicht verändert werden, und dem Verbraucher die Möglichkeit ihrer originalgetreuen Wiedergabe eröffnet, ist dieser Datenträger danach als "dauerhaft" im Sinne der genannten Bestimmung anzusehen. Eine Website wie die von Content Services, deren Informationen für die Verbraucher nur über einen vom Verkäufer zur Verfügung gestellten Link zugänglich sind, können danach nicht als "dauerhafter Datenträger" im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 97/7 angesehen werden. Den Akten sei nicht zu entnehmen, dass es die Website des Verkäufers, auf die der dem Verbraucher mitgeteilte Link verweist, dem Verbraucher ermöglicht, an ihn persönlich gerichtete Informationen so zu speichern, dass er während einer angemessenen Dauer auf sie zugreifen und sie originalgetreu wiedergeben kann, ohne dass die Möglichkeit einer einseitigen Änderung ihres Inhalts durch den Verkäufer bestünde.

Praxishinweis:

Die Entscheidung des EuGH liegt auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung in Deutschland. Nach dem Urteil des BGH im Verfahren Holzhocker (Urteil vom 29.04.2010, Az. I ZR 66/08) müssen die dem Verbraucher bei Fernabsatzverträgen gem. §§ 312c, 355 BGB zu erteilenden Informationen nicht nur vom Unternehmer in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise abgegeben werden, sondern auch dem Verbraucher in einer zur dauerhaften Wiedergabe geeigneten Weise zugehen. Dementsprechend reiche die Speicherung dieser Informationen auf der Website des Unternehmers ebenso wenig für das Anlaufen der Widerrufsfrist von zwei Wochen gem. § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB aus wie die Möglichkeit, diese Informationen nach Vertragsschluss bei eBay abzurufen. Online-Händler müssen den Text der Widerrufsbelehrung vollständig in die Mail an den Verbraucher aufnehmen. Ansonsten liegt keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung vor.

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