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23.6.13

Haftung für Kinder beim Filesharing



Von mir erscheinen regelmässig Urteilszusammenfassungen zum Verbraucherschutz im Internet in der Zeitschrift VuR. In Heft 6 geht es um die ...


Haftung für Kinder beim Filesharing
Eltern genügen ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt.

(Leitsätze des Gerichts)

BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12


Sachverhalt (zusammengefasst)

Die vier Klägerinnen sind jeweils Inhaber ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an zahlreichen auf Tonträgern aufgenommenen Darbietungen von Musikwerken.

Am 28.1.2007 wurden vom Internetanschluss der Beklagten 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den Internetanschluss auch ihren drei Kindern, die damals in ihrem Haushalt lebten und 13, 15 und 19 Jahre alt waren, zur Verfügung gestellt. Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Beklagten wurde am 22.8.2007 der PC des 13-jährigen Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme „Morpheus“ und „Bearshare“ installiert. Auf dem Desktop waren das Symbol des Programms “Bearshare“ sowie die Ordner „My Music“ und „Papas Music“ zu sehen. In den Ordnern waren Musikdateien abgelegt. Bei seiner polizeilichen Anhörung gab der Sohn des Beklagten die Nutzung der Tauschbörsen zu. Die Beklagten gaben daraufhin die von den Klägerinnen geforderte Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadensersatz wegen einer angeblichen Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Köln, CR 2011, 687). Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben (OLG Köln, WRP 2012, 1007).


Gründe (zusammengefasst):

Der BGH hat der Revision stattgegeben und die Klage abgewiesen. Er verneinte eine Verletzung der Aufsichtspflicht der Eltern und erörterte diese im Rahmen der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs nach § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Nach ständiger Rechtsprechung bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist (BGH, Urteil vom 24. März 2009 - VI ZR 51/08, NJW 2009, 1952 Rn. 8; Urteil vom 24. März 2009 - VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 Rn. 8; Urteil vom 20. März 2012 - VI ZR 3/11, NJW 2012, 2425 Rn. 16 ff., jeweils mwN).

Zu der Frage, inwieweit Eltern verpflichtet sind, ihr minderjähriges Kind bei der Internetnutzung zu beaufsichtigen, um insbesondere eine Urheberrechte verletzende Teilnahme an Tauschbörsen zu verhindern, werden im Wesentlichen zwei Auffassungen vertreten:

Nach einer Auffassung genügt es nicht, wenn Eltern ihr minderjähriges Kind, dem sie einen Computer und einen Internetanschluss zur Verfügung stellen, über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren und ihm eine urheberrechtsverletzende Teilnahme an Tauschbörsen untersagen. Vielmehr sind Eltern nach dieser Ansicht darüber hinaus verpflichtet, die Installation und Nutzung von Filesharingsoftware durch das Kind mittels technischer Maßnahmen wie etwa der Installation von Firewalls oder der Einrichtung von individuellen Benutzerkonten mit beschränkten Nutzungsbefugnissen - zu verhindern. Eltern sind nach dieser Ansicht ferner verpflichtet, das Kind bei der Nutzung des Internets laufend zu überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen, selbst wenn kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Kind bei der Internetnutzung Rechte Dritter verletzt (vgl. OLG Köln, GRUR 2010, 173, 174; LG Hamburg, MMR 2006, 700; MMR 2007, 31 f.; CR 2006, 780, 782; LG München I, MMR 2008, 619, 621 f.; LG Düsseldorf, ZUM-RD 2011, 698, 699; vgl. auch Stang/Hühner, CR 2008, 342, 245; Rauer, K&R 2012, 532, 533; Hoffmann, MMR 2012, 391, 392).

Nach anderer Auffassung genügen Eltern, die ihrem minderjährigen Kind ihren Internetanschluss zur Verfügung stellen, ihrer Aufsichtspflicht grundsätzlich bereits dadurch, dass sie das Kind über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten. Dagegen sind Eltern nach dieser Auffassung grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind den Internetzugang teilweise zu versperren, die Nutzung des Internets durch das Kind ständig zu überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern vielmehr erst dann verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben (vgl. OLG Frankfurt a.M., GRUR-RR 2008, 73, 74; LG Mannheim, MMR 2007, 267, 268; ZUM-RD 2007, 252, 254 f.; MMR 2007, 459, 460; Grosskopf, CR 2007, 122 f.; Peter, K&R 2007, 371, 373; Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 5; Mühlberger, GRUR 2009, 1022, 1025 f.; Sandor, ITRB 2012, 9, 13; Schöttler, jurisPR-ITR 2/2007 Anm. 2; Wenn, jurisPR-ITR 5/2008 Anm. 2; Krieg, jurisPR-ITR 16/2008 Anm. 3; vgl. auch Spindler in Bamberger/Roth, Beck’scher Online-Kommentar BGB, Stand: 1. August 2012, § 832 Rn. 31a; Moritz in jurisPK-BGB, 6. Aufl., § 832 Rn. 46; Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 3. Aufl., Kap. 3.2 Rn. 81; Weidert/Molle in Ensthaler/Weidert, Handbuch Urheberrecht und Internet, 2. Aufl., Kap. 7 Rn. 168).

Der BGH hat sich nun der letztgenannten Auffassung angeschlossen. Danach genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kind, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm eine Teilnahme daran verbieten. Es ist zwar nicht zu bestreiten, dass erfahrungsgemäß Kinder und Jugendliche aus pädagogischen Gründen auferlegte Verbote gelegentlich übertreten. Daraus folgt aber keine Verpflichtung der Eltern, ohne konkreten Anlass regelmäßig zu kontrollieren, ob ihr Kind bei der Nutzung von Computer und Internet ihm auferlegte Verbote beachtet. Eine solche Verpflichtung widerspräche der gesetzlichen Wertung des § 1626 Abs. 2 Satz 1 BGB. Danach sollen die Eltern bei der Pflege und Erziehung die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen.

Nach diesen Maßstäben haben die Beklagten ihrer Aufsichtspflicht dadurch genügt, dass sie ihrem Sohn die rechtswidrige Teilnahme an Internettauschbörsen nach einer entsprechenden Belehrung verboten haben. Die Beklagten haben vorgetragen, sie hätten mit ihren Kindern immer wieder über das Thema des illegalen Downloads von Musik und Filmen aus dem Internet diskutiert und ihnen dies ausdrücklich untersagt. Eine besonders intensive Belehrung war indessen im Blick darauf nicht erforderlich, dass es sich beim Sohn der Beklagten um ein normal entwickeltes, einsichtsfähiges und verhaltensunauffälliges 13-jähriges Kind handelte. Zu Überwachungsmaßnahmen waren die Beklagten nicht verpflichtet. Für die Beklagten bestanden keine Anhaltspunkte, dass sich ihr Sohn nicht an das ihm auferlegte Verbot hält. Sie waren daher weder verpflichtet, ihren 13-jährigen Sohn etwa durch Installation einer Firewall oder eines Sicherheitsprogramms daran zu hindern, auf seinem Computer weitere Programme zu installieren, noch verpflichtet, ihn dadurch zu überwachen, dass sie seinen Computer beispielsweise durch eine monatliche Kontrolle der Softwareliste und des Computerdesktop nach bereits installierten Tauschbörsenprogrammen durchsuchen.

Ein Haftung der Beklagten nach §§ 97, 19a UrhG liegt nicht vor. Es ist Sache der Kläger, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten Urheberechtsverletzung ist. Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese ist jedoch insbesondere aufgrund der Einlassung des Sohnes der Beklagten erschüttert. Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerinnen, die für eine Haftung der Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen. Dies haben die Klägerinnen nicht getan. Die Revisionserwiderung zeigt auch kein Vorbringen auf, aus dem sich der für eine Teilnehmerhaftung des Beklagten zu 1 erforderliche Vorsatz in Bezug auf die Haupttat (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 16 - Sommer unseres Lebens; BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 24 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN), also das öffentliche Zugänglichmachen der hier in Rede stehenden Musikaufnahmen durch seinen Sohn, ergeben könnte.

Die Beklagten sind den Klägerinnen entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch nicht als Inhaber des Internetanschlusses unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zum Schadensersatz und zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet. Schadensersatzansprüche der Klägerinnen scheiden aus, weil die Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses nicht als Täter oder Teilnehmer einer von ihrem Sohn begangenen Urheberrechtsverletzung haften. Die Beklagten haften ferner als Inhaber des Internetanschlusses auch nicht als Störer wegen einer von ihrem Sohn begangenen Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung. Die Prüfpflichten, die Eltern als Inhabern eines Internetanschlusses obliegen, haben bei einer Überlassung des Internetanschlusses an ihr minderjähriges Kind denselben Inhalt und Umfang wie ihre Aufsichtspflicht über das Kind hinsichtlich dessen Internetnutzung. Die Beklagten haben diese Prüfpflichten nicht verletzt.


Praxishinweis:

Die Haftung des Anschlussinhabers für Rechtsverletzungen Dritter hat die Rechtsprechung in den letzten Jahren des Öfteren beschäftigt (den Diskussionsstand zusammenfassend Galetzka/Stamer, K&R Beihefter 2/2012 zu Heft 6). Einem grundsätzlichen Misstrauen anderen Familienmitgliedern gegenüber hat der BGH nunmehr eine klare Absage erteilt. Die eigenen Kinder müssen nicht mittels Einsatzes von z.B. Sicherheitssoftware oder Firewalls in Widerspruch zum Erziehungsleitbild des BGB (§ 1626 Abs. 2) kontinuierlich überwacht und der Einsatz von Tauschbörsen so unterbunden werden. Ganz abgesehen davon, dass deren Nutzung nicht per se rechtswidrig ist und es zahlreiche legale Einsatzmöglichkeiten gibt, hätten die ihren Kindern oftmals in technischer Hinsicht unterlegenen Eltern hier mitunter einen schweren Stand gehabt.

Auch wenn eine Haftung der Eltern im vorliegenden Fall verneint wurde, ist damit noch nicht gesagt, dass keine Schadensersatzansprüche bestehen. Die Urheber können ggf. den Minderjährigen, der einen Urheberrechtsverstoß begangen hat, selbst in Anspruch nehmen. Wer älter als 7, aber jünger als 18 Jahre ist, haftet, wenn er die notwendige Einsichtsfähigkeit hatte (§ 828 Abs. 3 BGB). Eine hinreichende Belehrung der Eltern dürfte bei Jugendlichen die notwendige Einsicht befördern. Je nach Alter wird sie aber ohnehin vorliegen. Das AG Hannover hat eine Haftung bei einem 17- Jährigen angenommen, der fremde Fotos in eigenen Auktionen verwendet hat (Urteil vom 3.6.2008, Az. 439 C 2674/08) und das LG Düsseldorf bei der Nutzung einer Tauschbörse durch einen 17-Jährigen (Urteil vom 24.8.2011, Az. 12 O 177/10).

Der BGH hatte in seiner Entscheidung Sommer unseres Lebens die Ansicht gestützt, dass im Wege des Anscheinsbeweises eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass der Anschlussinhaber für eine Rechtsverletzung verantwortlich ist. Welche Umstände der Anschlussinhaber zur Erschütterung des Anscheinsbeweises vortragen muss, konnte er damals unentschieden lassen, weil sich dieser zum fraglichen Zeitpunkt im Urlaub befand. Auch in dem besprochenen Urteil musste er dazu angesichts der Einlassung des Sohnes nicht mehr viel sagen. Die untergerichtliche Rechtsprechung tendiert dazu, dass es dem Anschlussinhaber nicht obliegen kann, den Beweis für seine Nichtverantwortlichkeit anzutreten (OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012, Az. 6 U 239/11). Dementsprechend gering werden bislang die Anforderungen an die Erschütterung des Anscheinsbeweises gesehen. Es genügt die ernsthafte Möglichkeit, dass ein Dritter und nicht der Anschlussinhaber den Internetzugang für die Rechtsverletzung benutzt hat. Dem OLG Hamm (Beschluss vom 27.10.2011, 22 W 82/11) genügte der Vortrag, dass außer dem Beklagten auch seine Frau und seine Schwiegereltern Zugang zu seinen WLAN-Anschluss gehabt haben.

 

1 comment:

Anonymous said...

Ich finde Ihren Blog sehr nützlich, warum veröffentlichen Sie keine Beiträge mehr?